Kurt Tucholsky: Ratschläge für einen schlechten Redner

10. Juni, 2025

Fang nie mit dem Anfang an, sondern immer drei Meilen vor dem Anfang! Etwa so: „Meine Damen und Herren! Bevor ich zum Thema des heutigen Abends komme, lassen Sie mich kurz …“

Hier hast du schon alles, was einen schönen Anfang ausmacht: eine steife Anrede, den Anfang vor dem Anfang, die Ankündigung das und was du zu sprechen beabsichtigst; und das Wörtchen „kurz“. So gewinnst du im Nu die Herzen und Ohren der Zuhörer.

Denn das hat der Zuhörer gern: dass er deine Rede wie ein schweres Schulpensum aufgebrummt bekommt; dass du ihm mit dem drohst, was du sagen wirst, sagst und immer sagen wirst. Immer schön umständlich.

Sprich nicht frei – das macht einen unruhigen Eindruck. Am besten ist, du liest deine Rede ab. Das ist sicher, zuverlässig, und es freut jedermann, wenn der lesende Redner nach jedem vierten Satz misstrauisch hochblickt, ob denn noch alle da sind. Wenn du gar nicht hören willst, was man dir so rät, und du willst gänzlich frei sprechen …. du Laie! Du lächerlicher Cicero! Nimm dir doch ein Beispiel an unseren professionellen Rednern, unseren Reichstagsabgeordneten – hast du die schon mal frei sprechen hören? Die schreiben sich sicherlich zuhause auf, wann sie „Hört, hört!“ rufen … ja wenn du denn frei sprechen musst: Sprich, wie du schreibst. Und ich weiß, wie du schreibst.

Sprich mit langen, langen Sätzen – solchen, bei denen du, der du dich zuhause, wo du ja die Ruhe, deren du so sehr benötigst, deiner Kinder ungeachtet, vorbereitest, genau weißt, wie das Ende ist, die Nebensätze schön ineinander geschachtelt, sodass der Hörer, ungeduldig auf seinem Sitz hin und her träumend, sich in einem Kolleg wähnend, in dem er früher so gerne geschlummert hat auf das Ende solcher Periode wartet … nun ich habe dir eben ein Beispiel gegeben. So musst du sprechen.

Fang immer bei den Römern an und gib stets, wovon du auch sprichst, die geschichtlichen Hintergründe der Sache an. Das ist nicht nur deutsch – das tun alle Brillenmenschen. Ich habe einmal an der Sorbonne einen chinesischen Studenten sprechen hören, der sprach glatt und gut Französisch, aber er begann zur allgemeinen Freude so: „Lassen Sie mich in aller Kürze die Geschichte meiner Heimat seit dem Jahre 2000 vor Christi Geburt ….“ Er blickte ganz erstaunt auf, weil die Leute so lachten.

So musst du das auch machen. Du hast ganz recht: man versteht es sonst ja nicht, wer kann denn das alles verstehen, ohne die geschichtlichen Hintergründe … sehr richtig! Die Leute sind doch nicht in deinen Vortrag gekommen, um lebendiges Leben zu hören, sondern das, was sie auch in Büchern nachschlagen können …. sehr richtig! Immer gib ihm Historie, immer gib ihm.

Kümmere dich nicht darum, ob die Wellen, die von dir ins Publikum laufen, auch zurückkommen – das sind Kinkerlitzchen. Sprich unbekümmert um die Wirkung, um die Leute, um die Luft im Saale; immer sprich, mein Guter. Gott wird es dir lohnen.

Du musst alles in Nebensätze legen. Sag nie: „Die Steuern sind zu hoch.“ Das ist zu einfach. Sag: „ Ich möchte zu dem, was ich eben gesagt habe, noch kurz bemerken, dass die Steuern bei weitem ….“ So heißt das.

Trink den Leuten ab und zu ein Glas Wasser vor – man sieht das gern.

Wenn du einen Witz machst, lach vorher, damit man weiß, wo die Pointe ist.

Eine Rede ist, wie könnte es anders sein, ein Monolog. Weil doch nur einer spricht. Du brauchst auch nach 14 Jahren öffentlicher Rednerei nicht zu wissen, dass eine Rede nicht nur ein Monolog, sondern ein Orchesterstück ist: eine stumme Masse spricht nämlich ununterbrochen mit. Und das musst du hören. Nein, das brauchst du nicht zu hören. Sprich nur, lies nur, donnere nur, geschichtele nur.

Zu dem, was ich eben über die Technik der Rede gesagt habe, möchte ich nur bemerken, dass viel Statistik eine Rede ungemein hebt. Das beruhigt ungemein, und da jeder imstande ist, sich zehn verschiedene Zahlen mühelos zu behalten, so macht das viel Spaß.

Kündige das Ende deiner Rede lange vorher an, damit die Leute nicht vor Freude einen Schlaganfall bekommen. Paul Lindau hat einmal einen dieser gefürchteten Hochzeitstoaste so angefangen: „Ich komme zum Schluss.“ Kündige den Schluss an, und dann beginne deine Rede von vorn und rede noch eine halbe Stunde. Dies kann man mehrere Male wiederholen.

Du musst dir nicht nur eine Disposition machen, du musst sie den Leuten auch vortragen – das würzt die Rede.

Sprich nie unter anderthalb Stunden, sonst lohnt es sich erst gar nicht anzufangen.

Wenn einer spricht, müssen die anderen zuhören – das ist deine Gelegenheit! Missbrauche sie!

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